Die "Bild" zerreißt unser Mensaessen!

Warum wir ganz gelassen bleiben und uns trotzdem ärgern.

Ungern liest man negative Kritik in einer der größten überregionalen Tageszeitungen über seine eigene Schule – für uns und unsere Schülerinnen und Schüler ein lehrreiches Beispiel, warum Medienkritik und Faktencheck wichtig sind und eine Bestätigung für uns, wie wichtig und entscheidend es ist, Schülerinnen und Schüler darin zu bestärken, kritisch gegenüber (neuen) Medien zu sein.


Warum wir trotz der negativen Kritik ganz gelassen bleiben:
Am 12.11.2024 veröffentlichte die BILD einen Bericht zum Essen in deutschen Schulen – die Bilderstrecke zeigte Essen und Portionen aus verschiedenen Bundesländern unter anderem auch das Bild, das – so suggeriert der Artikel - „Antje H.“, Mutter unserer Schule, zur Verfügung gestellt hatte. Zu sehen sind ein trockenes Hänchenschnitzel und vier trockene Kroketten sowie zwei Teller mit Milchreis und Kirschsoße. Das Ganze jeweils für 3,5€ - ein zugegeben trauriges Bild, das wir gerne noch ein Mal zeigen.

Knapp einen Tag später erscheint ein neuer Artikel in der „Bild”: „Das läuft schief beim Schulessen“ und – wir sind überrascht – dasselbe Bild wird nun plötzlich einem Berliner Gymnasium zugerechnet. Offensichtlich ist nicht ganz klar, welche Schule nun hier gezeigt werden soll – Düsseldorf – Berlin, dass bringt man schnell durcheinander.

Journalistische Sorgfalt ist eben dann doch etwas, das in der schnelllebigen Zeit, in der es um die nächste knallige Schlagzeile geht, vernachlässigbar erscheint. Eine erste wichtige Erkenntnis, die unsere Schüler sicherlich lernen können: Medien sind vor allem immer auch Unternehmen, die Gewinn mit der Auflage und Werbung machen.  
Wir klären auf! Es ist ein Bild, das an unserer Schule entstanden ist, nicht nur erkennbar an den Bodenfliesen und dem charakteristischen Holz der Ausgabetheke, sondern auch an dem Schülerausweis, den die obere Schülerin in dem Originalbild in der Hand hält und den wir wegretuschiert haben (Datenschutz!!).


Unsere Schüler lernen bereits relativ früh im Deutschunterricht oder während der Mitarbeit an unserer Schulzeitung, dass Faktencheck immer dann angebracht ist, wenn Behauptungen in den Raum gestellt werden, die einer Recherche standzuhalten haben. Dies wäre ganz einfach möglich gewesen, wenn man der zitierten Mutter „Antje H.“ nicht einfach blind vertrauen möchte. Ein Faktencheck beim Caterer oder über unser Sekretariat hätte dann folgendes Ergebnis erbracht: Die Aufnahme stammt wahrscheinlich vom Essen am 26.09.2024. An diesem Tag bot unser Caterer folgende drei Menü-Optionen an:
    1. Gemischter Salat mit wechselndem Topping, Dessert Erdbeerjoghurt
    2. Hänchenschnitzel mit Curryfruchtsoße sowie Kroketten und Broccoli
    3. Milchreis mit heißen Kirschen sowie Minitomaten

Dieses Essen können die Schüler und/oder ihre Eltern bis zu vier Wochen vorher oder aber bis zum Vortag um 8 Uhr bestellen/umbestellen oder stornieren. Da unser Mensapersonal das Essen direkt in der Ausgabe für jeden Schüler zusammenstellt, haben die Schüler natürlich die Möglichkeit, Komponenten, die sie nicht mögen, wegzulassen – dass man dabei den ungeliebten Broccoli nicht einfach gegen ein oder zwei weitere Schnitzel tauschen kann, ist leider tatsächlich eine Tatsache, die wir eingestehen müssen. Wir gehen daher davon aus, dass das Schnitzel und die Kroketten nur deshalb so traurig und trocken auf dem Teller liegen, weil die Schülerin die restlichen zwei Komponenten nicht wollte – oder glauben Sie wirklich, dass in einer Mensaausgabe plötzlich ausgerechnet der Broccoli ausgeht?


Tatsache ist aber auch, dass aufgrund von Krankheiten immer wieder Schüler ihr bestelltes Essen nicht nutzen und das Mensapersonal daher ca. 10-20 Minuten vor Ende der Mittagspause immer wieder einen Nachschlag verteilt, wenn Kinder mit leeren Tellern sich erneut an die Ausgabe stellen. Klar ist, als Schule, die versucht Nachhaltigkeit zu beachten, wollen wir so wenig Essen wie möglich wegwerfen – im Notfall können Kinder, aber auch Lehrer, die nicht bestellt haben, gegen eine kleine Spende das nicht abgeholte Essen bekommen, bevor es einfach weggeworfen wird.


Zumindest soweit wir das recherchieren konnten, stellt das Foto der „Bild“ also nicht die ganze Wahrheit dar, sondern man ist wahrscheinlich einer falschen Darstellung aufgesessen und der Faktencheck, die Recherche war hier scheinbar nicht ganz so wichtig; zu schön passte dieses plakative Bild in die Schlagzeile. Für unsere Schüler ist allerdings auch dieser Punkt ein alter Hut – Bilder stellen halt immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit dar und unter Umständen auch nur den Ausschnitt, den der Macher uns zeigen will, um seine eigene Meinung zu stützen. Dies ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den wir im Fach- und im Medienunterricht an unserer Schule immer wieder zu vermitteln versuchen.


Wir bleiben daher trotz dieses „Verrisses“ in der “Bild” gelassen: Natürlich können immer wieder auch Fehler passieren – das Mensapersonal vertut sich bei der Ausgabe und gibt einigen Schülern am Anfang zu viel aus, sodass nicht alle dieselbe Menge Soße oder einer anderen Komponente bekommen. 350 ungeduldige Schülerinnen und Schüler innerhalb von 50 Minuten mit frischem Essen zu versorgen, ist eben auch ein Knochenjob. Manchmal läuft bei der Bestellung der Eltern etwas schief. So kann es auch schon mal vorkommen, dass beim Caterer Bestellungen vertauscht oder Mengen zu klein berechnet werden. Fehler sind eben auch menschlich.
In einem Schuljahr von 200 Schultagen werden im Schnitt täglich 200-250 Essen bestellt, zubereitet und ausgegeben – 40.000- 50.000 Essen in einem Schuljahr – die Qualität eines Cateres einer Schule an einem Bild zu messen, das zudem wahrscheinlich nicht die ganze Wirklichkeit darstellt? Unser Faktencheck besagt, dass wir jährlich nur eine Handvoll Beschwerden über das Essen erhalten, allerdings immer über die Ausgabe des Essens und nicht über die Qualität. Und dass es herausfordernd ist, diese Menge an Essen in der vorgegebenen Zeit auszugeben, haben wir bereits erwähnt.


Warum wir uns trotzdem über den Artikel ärgern!
Ein perfektes Mensaessen bzw. ein perfektes Angebot zu erstellen, kommt der Quadratur des Kreises gleich – es soll den Schülern schmecken und sich an ihren (häuslichen) Essgewohnheiten orientieren. Das immer knapp kalkulierte Mensapersonal soll das Essen innerhalb von möglichst kurzer Zeit möglichst frisch zubereiten und dann austeilen können. In einer multikulturellen Gesellschaft soll es möglichst vielen, am besten allen Speisevorschriften entsprechen, auf verschiedene Unverträglichkeiten Rücksicht nehmen und gesund/vollwertig, möglichst klimaneutral, regional und biologisch sauber produziert sein. Gleichzeitig soll es preislich so gestaltet sein, dass es für möglichst viele Eltern, die zum Teil mehrere Kinder haben, bezahlbar ist. Trotzdem soll der Caterer in Zeiten steigender Energie- und Produktpreise und bei steigenden Lohnkosten so viel damit verdienen können, dass er über die Runden kommt und ausreichend Geld für Investitionen und Modernisierung zurücklegen kann.
Wir ärgern uns, weil dieses Thema ein wichtiges Thema ist: Schülerinnen und Schüler, die an einer Schule Leistung erbringen sollen, müssen sicherlich gut essen können und daher hätte das Thema eine breite Diskussion verdient, in der offen und ehrlich über die oben genannten Punkte diskutiert wird. Was darf, was soll gutes Essen in ausreichender Menge kosten? Was können, was wollen sich die Eltern leisten?  Das setzt jedoch vor allem auch sauber recherchierte Fakten und den Wunsch voraus, das Thema ausgewogen und nicht reißerisch zu diskutieren.
Wir jedenfalls sind mit unserer Eltern- und Schülerschaft und unseren vertrauensvollen externen Partnern immer bereit für einen konstruktiven Dialog.

für das Team der Erweiterten Schulleitung des Friedrich-Rückert-Gymnasiums und die Firma Windman Catering

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